Franka Hörnschemeyer
Ein stilles Wäldchen nahe einer Kriegsgräberstätte, unterirdische Kanalisationsanlagen, die Freifläche an einem Regierungsgebäude oder ein Museumsraum mit berühmten Kunstwerken – dies alles sind Räume, die Franka Hörnschemeyer künstlerisch mit Sinn auflädt, sie entlang einer verschütteten oder vergessenen Bedeutung neu interpretiert. Alle diese Orte eint, dass sie unsichtbare Sinnschichten aufweisen, die eng mit ihrer Funktion und ihrer Geschichte verbunden sind; Ebenen, die dem Nutzer dieser Räume jedoch so bislang nicht bewusst werden.
In Franka Hörnschemeyers skulpturalen Interventionen werden diese Schichten nun sichtbar und erlebbar. In diesem Gestus deutete sie 2011 den unspektakulären Naturraum nahe des Kriegsgräberfriedhofs in Neugnadenfeld zu einem begehbaren akustischen Parcours um, der sensibel und bewegend traumatische Erinnerungen aufruft. Ähnlich präzise und kompromisslos verfuhr sie bereits 2001 mit einem Innenhof am Berliner Paul-Löbe-Haus, wo seitdem eine labyrinthartige Struktur an die ideologisch wie räumlich bedrückende deutsch-deutsche Grenze erinnert. Mit ihrer eleganten Außenraumskulptur „Trichter“ (2011 fertiggestellt) im Stadtzentrum von Dresden öffnete sie den Blick auf städtische Versorgungssysteme und damit auf verborgene Themen von Existenz, Zivilisation und letztlich von deren Fragilität.
Die Strategien, die Franka Hörnschemeyer verwendet, rufen ein uraltes Prinzip der Wahrheitsfindung auf, das der sokratischen Mäeutik, auch geistige „Hebammenkunst“ genannt. Die Anhänger dieses Prinzips stellen Fragen an ihr Gegenüber und bringen dieses dazu, Widersprüche aufzudecken und Einsichten zu entwickeln – nur dass im Falle von Franka Hörnschemeyer dieses Gegenüber keine Person ist, sondern eine räumliche, soziale oder kulturelle Situation, deren Konflikte und Besonderheiten durch die künstlerische Befragung zum Vorschein kommen. Dabei bedient sich Franka Hörnschemeyer bildhauerischer Mittel, die bescheidener und ikonografisch zurückhaltender nicht sein könnten – oft handelt es sich um genormte Schalelemente aus dem Betonbau, die für gewöhnlich gebauten Raum vor dessen Entstehung definieren und unsichtbar in seine Kubatur eingeschrieben bleiben. In vielen von Franka Hörnschemeyers Arbeiten gliedern solche Elemente wie mentale Leitsysteme den neu zu entdeckenden physischen Raum. Auch im Kontext von Galerien und Innenräumen verfolgt sie ihre Methode der dreidimensionalen Umdeutung, indem sie Raumelemente wie ausgediente Messebauelemente, Türen, Schallschutzplatten temporär neu arrangiert und diesen eine skulpturale Aura jenseits von nicht mehr existierender Funktionalität verleiht. Auch hier geht es um das Erinnern, das Gedächtnis des Materials und den flüchtigen Sinn menschlicher Konstruktionen.
Susanne Altmann ©2012
Einzelausstellungen (Auswahl) | |
2011 | »Franka Hörnschemeyer« , galerie baer, Dresden »Koordinaten«, Skulptur im öffentlichen Raum, kunstwegen, Nordhorn »Trichter«, Einweihung Skulptur im öffentlichen Raum, Seetor Dresden »Franka Hörnschemeyer«, Skulpturensammlung Dresden »Franks International«, display, Wilhelm Hack Museum, Ludwigshafen |
2010 | »In the Presence of Noise«, Galerie Nordenhake, Berlin |
Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl) | |
2012 | »Surf + Anarchie + Alchemie«, Amtsrichterhaus, Schwarzenbek »Umstülpung«, Galerie Nordenhake, Berlin |
2011 | »Wir sind alle Astronauten«, MARTa Herford |
2010 | »Kniebeugen. Erinnern, Vergessen, Besetzen«, Temporäre Kunsthalle, Berlin |
Vita | |
1958 | geboren in Osnabrück |
1999–2004 | Studium an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg |
2007 | Gastprofessorin am California Institute of the Arts in Valencia, Los Angeles |
seit 2009 | Professorin an der Hochschule für Künste Bremen |
lebt und arbeitet in Berlin | |
Preise/Stipendien | |
2012 | MFI Preis – Kunst am Bau |
2006 | Kunstpreis der Stadt Nordhorn |
2003 | 1. Preis beim Wettbewerb zur Gestaltung des Seetores in Dresden/Realisierung 2010/2011 |
1994 | Friedrich-Vordemberge-Preis der Stadt Köln |
1992 | Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium |
1991 | Deutsches Studienzentrum in Venedig |
1990 | Kunstfond eV Bonn · Stipendium |
1987-1988 | Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in New York |
1986-1987 | Studienstiftung des Deutschen Volkes |
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